Stipendiat Igor Ebanoidze übersetzt Thomas Mann ins Russische

Übersetzer zu Gast im Rahmen des gemeinsamen Programms des Goethe-Instituts und der Kulturstiftung.

Übersetzer-Stipendiat Igor Ebanoidze

Von Oktober bis November 2023 übersetzt Igor Ebanoidze während eines siebenwöchigen Arbeitsaufenthalts in der Stipendiatenwohnung der Kulturstiftung die Rundfunkrede "Deutsche Hörer!" von Thomas Mann sowie die Polemik um seine Nichtrückkehr nach Deutschland von 1945 (die Texte der sogenannten Großen Kontroverse).

Igor Ebanoidze wurde in Russland geboren und hat am Gorki-Literatur-Institut in Moskau "Dichterische Übersetzung" studiert. Er promovierte zum Doktor der Philologie an der Staatlichen Lomonosow-Universität mit seiner Dissertation, die der existenziellen Motivation literarischen Schaffens am Beispiel der Texte von Thomas Mann gewidmet ist.

Sein wichtigstes Projekt, an dem er von 2004 bis 2015 gearbeitet hat, ist die Herausgabe der Nietzsche Studienausgabe in 14 Bänden auf Russisch. Zu den weiteren von ihm ins Russische übersetzten Büchern gehören auch Briefe und Korrespondenzen von Friedrich Nietzsche, Jean Amerys autobiographische Essaysammlung "Jenseits von Schuld und Sühne. Bewältigungsversuche eines Überwältigten" und die Richard Wagner-Biografie von Martin Geck.

Inzwischen ist er auch georgischer Staatsbürger und lebt und arbeitet in Tiflis.

Zu den ersten Wochen seines Aufenthalts in Dresden schreibt Igor Ebanoidze:

"Die Themen, die Thomas Mann in seinem Werk behandelt, sind meist zeitlos (auch wenn er in ‘Der Zauberberg’ über die Zeit selbst schreibt). Dennoch habe ich für die Übersetzung seine Texte ausgewählt, die er zu den aktuellen Themen seiner Zeit geschrieben hatte. Es handelt sich um Rundfunkansprachen, mit denen er sich während des Zweiten Weltkriegs nahezu monatlich an seine Landsleute gewendet hat. In den letzten zwei Jahren hat sich plötzlich herausgestellt, dass diese Ansprachen wieder unglaublich aktuell klingen können. Nicht nur, weil es um den Krieg, sondern weil es um eine Nation geht, die ‘sich in Schuld verstrickt’ und die zur Vernunft gebracht werden soll. Aus diesem Grund ist es äußerst wichtig, dass diese Texte nun auf Russisch erklingen. 

Ich bin der Kulturstiftung sehr dankbar, dass sie mir die Möglichkeit gibt, mich hier mit meiner Übersetzung zu beschäftigen. Es ist ein fantastisches Gefühl, in einer so ungestörten Ruhe konzentriert arbeiten zu können, in dem Wissen, dass man von der wunderschönen natürlichen und historischen Landschaft von Hellerau umgeben ist, die man auf den ersten Blick zu lieben beginnt, und neben der schönen Residenzstadt mit seiner reichen Kulturbühne, so dass man sowohl vom Stadt- als auch vom Landleben profitieren kann. Im Einklang mit Thomas Mann darf man hier also sagen: ‘Mir hat die Fremde wohlgetan.’"